Die Konsequenzen

Die Niederschriften der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen der Jahre 2009, 2014 und 2015 enthalten weitere Ausführungen zum Umgang der Bauaufsichtsbehörden mit der illegalen Nutzung von Campingplätzen, Ferien- und Wochenendhausgebieten zum Dauerwohnen.

 

2009: Dauerwohnen in Wochenendhausgebieten

„Bei den durch Bebauungspläne festgesetzten Wochenendhausgebieten handelt es sich um der Erholung dienende Sondergebiete im Sinne des § 10 BauNVO. Diese Gebiete befinden sich naturgemäß am Stadtrand / im Außenbereich der jeweiligen Kommune. Die jeweils gültigen Flächennutzungspläne und Regionalpläne lassen an den betroffenen Standorten die bauleitplanerische Ausweisung von Wohngebieten in der Regel nicht zu. Nur Ferien- und Wochenendhausgebiete, die die im beigefügten Erlass des MWME vom 17.11.2008 (Anlage) genannten Kriterien erfüllen, können auf Antrag der Kommune im Rahmen der bauleitplanerischen Anpassung gem. § 32 LPlG in ein Wohngebiet zum Dauerwohnen umgewandelt werden.

Zwischen dem Petitionsausschuss des Landtags und der Landesregierung besteht Einvernehmen dahingehend, dass es in den Fällen, in denen eine Änderung der Bauleitplanung nicht in Betracht kommt, weil die im Erlass des MWME genannten Kriterien nicht erfüllt sind, Aufgabe der unteren Bauaufsichtsbehörde ist, dafür zu sorgen, dass die illegale Nutzung von Wochenendhäusern zum Dauerwohnen mittelfristig aufgegeben wird, um wieder rechtmäßige Zustände herzustellen.
Es wird nicht verlangt, dass die Bauaufsichtsbehörden unveranlasst Nachforschungen anstellen, um in den Wochenendhausgebieten Dauerwohnnutzungen zu ermitteln. Erfahren sie jedoch, dass Wochenendhäuser zum Dauerwohnen genutzt werden, müssen sie ordnungsbehördlich tätig werden.

Grundsätzlich ist die unrechtmäßige Nutzung innerhalb eines Zeitraums aufzugeben, innerhalb dessen zumutbar eine andere Wohnung gefunden werden kann. Dies trifft vor allem für die Mieter von Ferien- bzw. Wochenendhäusern zu. Die Frist kann in begrenztem Umfang verlängert werden, wenn auf Rechtsbehelfe gegen die Ordnungsverfügung verzichtet wird; hier kann die durchschnittliche Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz zu Grunde gelegt werden.

Im Falle illegaler Nutzung durch die Eigentümer kann es darüber hinaus in Betracht kommen, noch längere Fristen bis zur Aufgabe der Wohnnutzung zuzulassen, auch um unverhältnismäßige Härten zu vermeiden. In Betracht kommen Gründe, die in der Person der Betroffenen liegen, wie z.B. hohes Alter, schlechter Gesundheitszustand o.ä., in begrenztem Umfang auch ein Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Wohnnutzung, etwa, wenn die zuständige Gemeinde zum Anmelden des Erstwohnsitzes aufgefordert hat.

Auch, wenn sich danach im Einzelfall sehr lange Duldungsfristen ergeben sollten, kommt es keinesfalls in Betracht, dass Ferien- oder Wochenendhäuser als Wohngebäude veräußert oder vererbt werden können.

Nach dem Melderecht müssen die Meldebehörden die Anmeldung eines Erstwohnsitzes in einem Ferienhausgebiet akzeptieren. Daher ist es sinnvoll, wenn die untere Bauaufsichtsbehörde dem jeweiligen Einwohnermeldeamt ein Informationsschreiben für die Personen zur Verfügung stellt, die ihren ersten Wohnsitz im Ferienhausgebiet anmelden wollen, in dem darauf hingewiesen wird, dass die Anmeldung zwar nach dem Meldegesetz NRW entgegengenommen werden muss, aber eine Nutzung aus baurechtlichen Gründen nicht zulässig ist. Die Anmeldung des Wohnsitzes sollte außerdem an die Bauaufsichtsbehörde weitergeleitet werden, damit die erforderlichen ordnungsbehördlichen Maßnahmen erfolgen können.“

Quelle: Niederschrift über die Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichts-behörden im November und Dezember 2009 , ab Seite 4

 

2014: Dauerwohnen in Wochenendhausgebieten und auf Campingplätzen

Die Bauaufsichtsbehörden sind – wie bereits in den Niederschriften der vergangenen Jahre dargelegt – gehalten, gegen illegales Dauerwohnen in Wochenendhausgebieten und auf Campingplätzen ordnungsbehördlich vorzugehen. Ein Verzicht auf ordnungsbehördliches Einschreiten kommt nicht in Betracht.

Eine mögliche (befristete) Duldung des Dauerwohnens kommt allenfalls im Rahmen des auszuübenden Ermessens nach Erlass der Ordnungsverfügung (Nutzungsuntersagung) in Betracht. Dies setzt zunächst einen Rechtsmittelverzicht des Ordnungspflichtigen gegen die Ordnungsverfügung voraus. Der Zeitraum einer möglichen Duldung soll den Umständen des jeweiligen Einzelfalls Rechnung tragen. Dabei kann u. a. das Alter des Ordnungspflichtigen berücksichtigt werden sowie der Zeitpunkt, zu dem der Ordnungspflichtige seinen Lebensmittelpunkt auf den Campingplatz verlagert hat. Mögliche Duldungen sind zeitlich befristet und personenbezogen auszusprechen. Außerdem dürfen die Gebäude nicht als Dauerwohnsitz veräußert, vererbt oder vermietet werden.

Eine „Stichtagsregelung“ kommt allenfalls ausnahmsweise in Betracht, und zwar dann, wenn die Sachverhaltsermittlung zahlreiche weitgehend vergleichbare Fälle ergeben hat, die aus Gründen der Verfahrensökonomie gleich behandelt werden können.

Ziel ist, das unbeabsichtigte Ausdehnen der Stadtrandbebauung in die der Erholung dienenden Gebiete zu verhindern und dafür zu sorgen, dass mittelfristig unrechtmäßige Nutzungen aufgegeben werden. Es ist daher unerlässlich, dass alle Bauaufsichtsbehörden deutlich machen, dass das Dauerwohnen auf Campingplätzen und in Ferien- und Wochenendhausgebieten nicht toleriert wird.

Die Bauaufsichtsbehörden werden gebeten, Urteile zu diesem Thema oder Muster öffentlich-rechtlicher Verträge, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben, an den Arbeitskreis Bauaufsichtsbehörden bzw. an das MBWSV weiterzuleiten.

Quelle: Niederschrift über die Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im Oktober / November 2014, ab Seite 4

 

2015: Dauerwohnen in Wochenendhausgebieten; Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen

Nach der Rechtsprechung des OVG NRW können Bebauungspläne nur in äußerst seltenen Fällen funktionslos werden. In seinem Urteil vom 20.02.2015, Az.: 7 D 29/13.NE, führt das OVG NRW dazu Folgendes aus:

„Eine bauplanungsrechtliche Festsetzung kann funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortwirkung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. (…) Entscheidend ist, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Absatz 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplanes einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein.“

Ein sehr hoher Anteil an Dauerwohnnutzungen in einem Wochenendhausgebiet kann zur Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes führen. Das OVG NRW weist auf einen Einzelfall hin, in dem bei etwa 75 % planwidriger Wohnnutzungen eine Funktionslosigkeit bejaht wurde, wobei eine Trendwende angesichts des Verhaltens der zuständigen Baubehörde nicht zu erwarten war.

„Dem Charakter eines Gebiets entgegen stehende Wohnnutzungen können im Hinblick auf die Ordnungsfunktion eines Bebauungsplanes nur dann durchgreifende Relevanz für die Annahme einer Funktionslosigkeit gewinnen, wenn sie etwa durch die Erteilung einer Baugenehmigung rechtlich gesichert sind oder in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständigen Behörden mit ihrem Vorhandensein (endgültig) abgefunden haben; die tatsächlichen Verhältnisse müssen sich so verfestigt haben, dass sie dem Geltungsanspruch der Norm auf absehbare Zeit entgegen stehen.“

Zur Funktionslosigkeit eines Bebauungsplanes kann es jedoch dann nicht kommen, wenn die Bauaufsichtsbehörden dafür sorgen, dass die illegale Nutzung von Wochenendhäusern zum Dauerwohnen aufgegeben wird, um so zumindest mittelfristig wieder rechtmäßige Zustände herzustellen.

Quelle: Niederschrift über die Dienstbesprechung mit den Bauaufsichtsbehörden im November 2015, ab Seite 15

 

Der Kreis Kleve geht gegen das Dauerwohnen in den Erholungssondergebieten (Wochenendhaus- und Ferienhausgebiete, Camping-, Zelt- und Wochenendplätze) mit der Einführung von Stichtagsregelung(en) vor.